HomeZeiterfassungPflicht zur Arbeitszeiterfassung: Schweiz, Deutschland & Österreich

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung: Schweiz, Deutschland & Österreich

Einleitung

In der heutigen Arbeitswelt ist eine präzise Zeiterfassung nicht nur ein Werkzeug zur Steigerung der betrieblichen Effizienz – sie ist gesetzlich verpflichtend. In der Schweiz, Liechtenstein, Österreich und Deutschland bestehen klare gesetzliche Vorschriften zur Arbeitszeiterfassung. Dennoch zeigt die Praxis, dass viele Unternehmen noch nicht über eine vollständig konforme Umsetzung verfügen. Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, Ausnahmen, Umsetzungsvarianten und gibt konkrete Handlungsempfehlungen – insbesondere für Dienstleistungsunternehmen und KMU.

Während die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in der Schweiz bereits seit 1966 im Arbeitsgesetz verankert ist, wurde sie lange Zeit eher locker gehandhabt. Erst in den letzten Jahren hat die Kontrolle durch die Arbeitsinspektorate zugenommen, wodurch das Thema wieder stark an Relevanz gewonnen hat.

Auch in Deutschland hat das Bundesarbeitsgericht mit seinem Grundsatzurteil vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) Klarheit geschaffen: Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, ein System zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit einzuführen. Zur offiziellen Entscheidung

In Österreich regelt das Arbeitszeitgesetz (AZG), insbesondere § 26, die Dokumentationspflicht der Arbeitszeit. Bereits seit 1997 ist eine genaue Aufzeichnung der Arbeitszeit gesetzlich verpflichtend. Weitere Informationen dazu finden sich auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft.

In Liechtenstein besteht derzeit keine gesetzliche Pflicht zur systematischen Zeiterfassung. Dennoch wird Unternehmen empfohlen, ein entsprechendes System einzuführen, um Transparenz zu schaffen und die Gesundheit der Mitarbeitenden zu schützen – insbesondere bei flexiblen Arbeitszeitmodellen oder Homeoffice. Obwohl das EuGH-Urteil von 2019 zur Pflicht der Arbeitszeiterfassung in EU-Ländern auch in Liechtenstein diskutiert wurde, gibt es bislang keine verbindliche nationale Umsetzung.

Rechtsgrundlagen im Überblick

Die rechtliche Basis für die Erfassung der Arbeitszeiten unterscheidet sich zwischen den Ländern nur marginal. Gemeinsam ist ihnen allen: Arbeitgeber sind zur systematischen Aufzeichnung der Arbeitszeit verpflichtet. Versäumnisse können bei Kontrollen zu empfindlichen Sanktionen führen – bis hin zur Betriebsschliessung bei grober Missachtung.

Schweiz

In der Schweiz regelt das Arbeitsgesetz (ArG) seit 1966 die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Die relevanten Bestimmungen finden sich insbesondere in Artikel 46 ArG und in der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (ArGV1), dort vor allem in den Artikeln 73 bis 73b.

Arbeitgeber müssen demnach detaillierte Aufzeichnungen führen, aus denen Folgendes hervorgehen muss:

  • Tägliche und wöchentliche Arbeitszeit
  • Lage und Dauer der Pausen (ab 30 Minuten)
  • Überstunden und Überzeit
  • Ruhetage und Ersatzruhetage
  • Gesetzlich geschuldete Lohn- und Zeitzuschläge

Diese Unterlagen müssen gemäss Gesetz während mindestens fünf Jahren aufbewahrt werden. Unternehmen sind verpflichtet, diese auf Verlangen den Kontrollorganen zur Verfügung zu stellen.

Liechtenstein

Im Fürstentum Liechtenstein basiert aktuell keine Pflicht zur Zeiterfassung. Dennoch empfiehlt das Amt für Volkswirtschaft, die Arbeitszeiten zu dokumentieren, um die Einhaltung der gesetzlichen Arbeits- und Ruhezeitvorschriften sicherzustellen.

Das bedeutet: Auch in Liechtenstein wird den Arbeitgebern empfohlen Arbeitsbeginn, -ende, Pausen, Überstunden sowie Ruhetage zu dokumentieren. Die Daten sollten ebenfalls fünf Jahre lang aufbewahrt werden.

Die Überprüfungen dieser Vorschriften erfolgt durch das Amt für Volkswirtschaft oder Zentrale Paritätische Kommission (ZPK), welche auch stichprobenartige Kontrollen durchführen.

Deutschland

In Deutschland hat das Bundesarbeitsgericht mit seinem wegweisenden Beschluss vom 13.09.2022 (Az. 1 ABR 22/21) klargestellt, dass Unternehmen verpflichtet sind, ein System zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden einzuführen.

Dieser Entscheid beruht auf der Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und entspricht im Grundsatz dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 zur Arbeitszeiterfassungspflicht.

Österreich

In Österreich ist die Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz (AZG) geregelt, konkret in § 26 AZG.

Die Dokumentationspflicht besteht seit 1997 und verlangt, dass Arbeitsbeginn, -ende, Pausen sowie Überstunden genau aufgezeichnet werden. Auch hier liegt die Verantwortung bei den Unternehmen – nicht bei den Mitarbeitenden.

Verzicht und Vereinfachung der Zeiterfassung

Obwohl eine allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht, gibt es in einzelnen Ländern unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen. Insbesondere in der Schweiz und Liechtenstein können Unternehmen unter gewissen Voraussetzungen auf eine detaillierte Erfassung verzichten oder diese vereinfachen.

Schweiz: Artikel 73a und 73b ArGV1

Seit dem 1. Januar 2016 gibt es zwei gesetzlich geregelte Ausnahmen:

  • Artikel 73a – Verzicht auf Arbeitszeiterfassung: Mitarbeitende, die jährlich mehr als CHF 120’000 verdienen, über eine hohe Autonomie verfügen und schriftlich auf die Arbeitszeiterfassung verzichten, sind von der Pflicht befreit. Dies ist nur möglich, wenn ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) vorliegt, der diese Regelung ausdrücklich erlaubt.
  • Artikel 73b – Vereinfachte Arbeitszeiterfassung: Für Mitarbeitende mit grossem Handlungsspielraum in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit genügt eine Erfassung der täglich geleisteten Gesamtarbeitszeit. Bei Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitenden ist eine individuelle schriftliche Vereinbarung ausreichend. Bei grösseren Betrieben braucht es eine kollektive Regelung mit der Belegschaft.

Deutschland: Ausblick auf neue gesetzliche Regelung

In Deutschland existiert derzeit noch keine explizite gesetzliche Regelung zur Ausnahmemöglichkeit der Zeiterfassungspflicht. Dennoch wird in der Gesetzesvorbereitung diskutiert, ob für bestimmte Tätigkeitsgruppen oder Einkommensstufen eine Flexibilisierung sinnvoll ist. Unternehmen sollten die Entwicklung im BMAS-Portal beobachten.

Österreich: Ausnahmebestimmungen bei Gleitzeit

In Österreich erlaubt § 4 Abs. 5 AZG bei Gleitzeitvereinbarungen eine vereinfachte Form der Zeiterfassung. Auch bei stark selbstbestimmter Arbeitszeitgestaltung, etwa im Aussendienst, besteht oft Erleichterung – aber niemals ein vollständiger Verzicht. Grundsätzlich gilt: Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit müssen immer nachvollziehbar sein.

Liechtenstein: Orientierung an Schweizer Regelung

Liechtenstein orientiert sich in weiten Teilen an der Schweizer Gesetzgebung. Daher gelten auch hier im Prinzip dieselben Ausnahmeregelungen wie nach Artikel 73a und 73b ArGV1 – inklusive der Bedingungen zur Vereinbarung im Rahmen eines GAV und des schriftlichen Verzichts durch den Mitarbeitenden.

Aufbewahrungspflicht

In allen vier Ländern gilt die Pflicht zur Aufbewahrung der Zeiterfassungsdaten für mindestens fünf Jahre. Diese Aufzeichnungen müssen im Fall von Kontrollen vorgelegt werden können und müssen sowohl vollständig als auch nachvollziehbar sein.

Empfohlen wird zudem eine strukturierte, digitale Ablage, idealerweise unterstützt durch eine professionelle Zeiterfassungssoftware, welche Daten versioniert und revisionssicher speichert.

Zeiterfassung in der Praxis: Umsetzung und Tools

Auch wenn das Gesetz keine bestimmte Methode vorschreibt, ist eine elektronische Zeiterfassung aus Gründen der Effizienz, Nachvollziehbarkeit und rechtlichen Sicherheit in der Praxis klar zu bevorzugen. Unternehmen können dabei zwischen verschiedenen Arten wählen:

Die eingesetzte Lösung sollte idealerweise auch die Erfassung von Pausen, Abwesenheiten (Ferien, Krankheit), Überstunden sowie Projektzeiten ermöglichen.

Zeiterfassungspflicht im Homeoffice

Gerade seit der Corona-Pandemie hat das Homeoffice massiv an Bedeutung gewonnen. Rechtlich gesehen macht der Arbeitsort jedoch keinen Unterschied: Die Pflicht zur vollständigen Zeiterfassung gilt auch im Homeoffice.

Arbeitgeber sind verpflichtet, ihren Mitarbeitenden eine geeignete Lösung bereitzustellen. Dazu zählt insbesondere eine benutzerfreundliche digitale Lösung, die auch auf privaten Geräten verwendet werden kann.
Gleichzeitig sind die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden zu wahren. Eine GPS-basierte Erfassung mit Bewegungsdaten ist ohne Zustimmung unzulässig.

Vereinfachte Zeiterfassung – wann erlaubt?

Die Möglichkeit zur vereinfachten Erfassung (nur tägliche Gesamtarbeitszeit) besteht – wie erwähnt – nur unter bestimmten Voraussetzungen:

  • Bei Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitenden kann sie individuell vereinbart werden.
  • Bei grösseren Betrieben braucht es eine kollektive Einigung mit der Mehrheit der Mitarbeitenden oder einer gewählten Vertretung.
  • Die betroffenen Mitarbeitenden müssen über eine gewisse Autonomie in der Arbeitszeiteinteilung verfügen.

In der Praxis wird dies oft in einem Personalreglement geregelt, welches mit dem Arbeitsvertrag verbindlich vereinbart wird.

Dokumentationsanforderungen: Was muss aufgezeichnet werden?

Gemäss den gesetzlichen Anforderungen (z. B. Art. 73 ArGV1 in der Schweiz) müssen folgende Punkte aus der Zeiterfassung hervorgehen:

  • Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
  • Dauer und Lage von Pausen ab 30 Minuten
  • Geleistete Überstunden oder Überzeit
  • Wöchentliche Ruhezeiten oder Ersatzruhetage
  • Aufgezeichnete Ferientage oder krankheitsbedingte Abwesenheiten

Zeiterfassung für Teilzeitangestellte

Teilzeitmitarbeitende sind ebenso zur Zeiterfassung verpflichtet. Dabei können zwei Methoden zur Anwendung kommen:

  • Wertmethode: Die tägliche Sollzeit wird proportional berechnet und auf fünf Wochentage verteilt – unabhängig vom tatsächlichen Einsatz.
  • Zeitmethode: Es werden konkrete Arbeitstage vereinbart, an denen die effektive Arbeitszeit erfasst wird.

Beide Methoden sind rechtlich zulässig – Unternehmen sollten sich jedoch für eine einheitliche Methode entscheiden und diese konsequent für alle anwenden.

Zeiterfassung bei Krankheit, Ferien und Feiertagen

Je nach gewählter Methode (Wert- oder Zeitmethode) unterscheiden sich auch die Buchungsregeln für Abwesenheiten:

  • Krankheit: Bei der Wertmethode wird unabhängig vom effektiven Arbeitstag im Wochenverlauf die tägliche Sollzeit gemäss Pensum als krank verbucht. Bei der Zeitmethode erfolgt die Buchung nur an einem geplanten Arbeitstag.
  • Ferien: Gleiches Prinzip wie bei der Krankheit: Wertmethode = proportionaler Eintrag, Zeitmethode = volle Buchung am betreffenden Arbeitstag.
  • Feiertage: Werden bei der Wertmethode anteilsmässig berücksichtigt. Bei der Zeitmethode nur dann, wenn der Feiertag auf einen vereinbarten Arbeitstag fällt.

Kontrollen und Sanktionen bei Nichteinhaltung

In der Schweiz, in Deutschland, in Österreich sowie in Liechtenstein haben die jeweiligen Arbeitsinspektorate bzw. Arbeitsschutzbehörden das Recht, die Einhaltung der Zeiterfassungspflicht zu überprüfen. Diese Kontrollen erfolgen oft stichprobenartig und im Rahmen anderer Prüfungen.

Bei Missachtung der Pflicht zur Zeiterfassung drohen Verwarnungen, Geldbussen oder in Extremfällen sogar Betriebsschliessungen. Unternehmen sind deshalb gut beraten, ihre Dokumentationspflicht ernst zu nehmen und lückenlos zu erfüllen.

Was Unternehmen konkret tun sollten

  • Wählen Sie eine geeignete Form der Zeiterfassung – idealerweise digital und mobilfähig.
  • Erstellen Sie ein Mitarbeiterreglement, das die Regeln zur Arbeitszeit klar definiert.
  • Regeln Sie im Arbeitsvertrag Ausnahmen (z. B. vereinfachte Erfassung oder Pauschalen) konkret und schriftlich.
  • Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden regelmässig zum Thema Arbeitszeitrecht.
  • Führen Sie jährliche Mitarbeitergespräche zur Arbeitsbelastung und dokumentieren Sie diese.

Fazit: Pflicht mit Potenzial

Die gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist unumstösslich – doch sie muss nicht als Bürde empfunden werden. Richtig umgesetzt, bietet die Arbeitszeiterfassung nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern auch wertvolle betriebswirtschaftliche Einsichten: Sie hilft, die Produktivität zu steigern, Ressourcen besser zu planen und faire Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Für Dienstleistungsunternehmen, KMU und moderne Arbeitgeber ist sie ein unerlässliches Instrument zur Führung und Entwicklung ihres Betriebs. Und mit dem richtigen Tool – das gleichzeitig einfach, benutzerfreundlich und rechtskonform ist – wird aus der Pflicht schnell eine Kür.