Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Warum das Thema wichtig ist
- Begriffsklärung: Überstunden vs. Überzeit
- Rechtliche Grundlagen (OR & ArG)
- Pflichten & Rechte der Mitarbeitenden
- Pflichten & Spielräume der Arbeitgebenden
- Auszahlung oder Kompensation von Überstunden
- Besonderheiten bei Selbstkündigung
- Besonderheiten bei Kündigung durch den Arbeitgeber
- Spezialfall: Freistellung während der Kündigungsfrist
- Schnittstelle: Kündigung & Krankheit
- Verjährung & Fristen
- Praxisbeispiele aus KMU
- Checkliste für Unternehmen
- FAQ: Häufige Fragen
- Fazit & Handlungsempfehlung
Einleitung: Warum das Thema wichtig ist
Wenn ein Arbeitsverhältnis endet, bleiben häufig offene Überstunden. In der Praxis stellen sich dann schnell heikle Fragen: Müssen diese Stunden ausbezahlt werden, oder sollen sie mit Freizeit kompensiert werden? Wer bestimmt, ob ein Abbau während der Kündigungsfrist möglich ist? Und was gilt, wenn gleichzeitig Krankheit, Ferien oder eine Freistellung vorliegen? Dieser Beitrag führt durch die relevanten Regelungen in der Schweiz, zeigt typische Stolpersteine und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für KMU.
Als Überblick zu Grundlagen, Unterschieden und Standardfällen empfehlen wir den übergeordneten Leitartikel Überstunden & Überzeit. Der vorliegende Beitrag fokussiert speziell auf die Phase der Kündigung und die korrekte Endabrechnung.
Begriffsklärung: Überstunden vs. Überzeit
Überstunden sind Arbeitsstunden, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet werden. Sie setzen voraus, dass sie angeordnet, geduldet oder betrieblich notwendig sind und dem Arbeitgeber zumutbarerweise dienen. Überzeit ist die Mehrarbeit über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinaus. Diese Unterscheidung ist entscheidend, weil für Überzeit zwingende Regeln gelten, während Überstunden vertraglich flexibler geregelt werden können.
- Überstunden (OR 321c): Mehrarbeit über die vereinbarte Arbeitszeit. Abgeltung durch Freizeit oder Lohn (Grundsatz 25 % Zuschlag), sofern nicht vertraglich anders geregelt.
- Überzeit (ArG, u. a. Art. 12/13): Mehrarbeit über die gesetzliche Höchstarbeitszeit (je nach Branche 45 oder 50 Stunden/Woche). Zwingend mit mindestens 25 % Zuschlag zu vergüten; Verzicht ist nicht möglich.
Rechtliche Grundlagen (OR & ArG)
Rechtsquellen sind insbesondere das Obligationenrecht (OR 321c) und das Arbeitsgesetz (ArG, u. a. Art. 9–13 zu Arbeits- und Ruhezeiten). Für die Praxis wichtig:
- Höchstarbeitszeit & Überzeitgrenzen: Grundsätzlich max. 2 Stunden Überzeit pro Tag; jährliche Kontingente (z. B. 170 Stunden für 45h-Wochen, 140 Stunden für 50h-Wochen, je nach Tätigkeit).
- Zuschlagspflicht bei Überzeit: Mindestens 25 % Lohnzuschlag. Abgeltung durch Freizeit ist möglich, der Zuschlag bleibt aber zwingend.
- Überstundenregelung: Kann im Arbeitsvertrag oder Reglement differenziert werden (z. B. Kompensation ohne Zuschlag). Voraussetzung ist eine klare, zulässige Vereinbarung.
Weiterführende Informationen: SECO – Arbeits- und Ruhezeiten oder TimeSafe – Ruhezeiten.
Pflichten & Rechte der Mitarbeitenden
Mitarbeitende müssen Überstunden belegen können. Ohne nachvollziehbare Zeiterfassung wird es schwierig, Ansprüche im Austritt sauber zu klären. In der Kündigungsphase gilt:
- Dokumentationspflicht: Arbeitszeiten zeitnah erfassen; Abwesenheiten (Krankheit, Ferien) sauber ausweisen; Bestätigungen aufbewahren
- Leistungspflicht: Angeordnete, zumutbare Überstunden sind auch während der Kündigungsfrist zu leisten, sofern keine überwiegenden Gründe dagegen sprechen.
- Anspruch wahren: Überstunden sind einzufordern – entweder via Kompensation (Freizeit) oder Auszahlung gemäss den vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben.
Pflichten & Spielräume der Arbeitgebenden
Arbeitgebende müssen Überstunden korrekt behandeln und transparent abrechnen. Gleichzeitig haben sie legitime Organisationsinteressen.
- Pflicht zur korrekten Abgeltung: Offene Überstunden sind zu kompensieren oder auszuzahlen – je nach vertraglicher Regelung und praktischer Möglichkeit während der Kündigungsfrist.
- Keine einseitige Streichung: Überstunden „verfallen“ nicht einfach, nur weil gekündigt wurde. Sie sind nach Recht und Vertrag abzurechnen.
- Koordination mit Ferientagen: Ferien sind grundsätzlich zu gewähren; ob Ferientage und Überstunden gleichzeitig abgebaut werden können, hängt von der betrieblichen Lage und Zumutbarkeit ab.
- Nachweis akzeptieren: Liegen nachvollziehbare Aufzeichnungen vor (z. B. aus der TimeSafe Zeiterfassung), sind diese sachgerecht zu prüfen und in die Endabrechnung zu übernehmen.
Auszahlung oder Kompensation von Überstunden
Die Entscheidung zwischen Auszahlung und Kompensation richtet sich nach Gesetz, Vertrag und Praktikabilität in der Kündigungsfrist.
- Freizeitkompensation: Ist möglich, wenn beide Parteien einverstanden sind und der Abbau zeitlich realistisch ist. Der Abbau sollte dokumentiert und bestätigt werden.
- Auszahlung: Ist geboten, wenn eine Kompensation nicht mehr möglich ist (z. B. wegen kurzer Kündigungsfrist, betrieblichen Engpässen oder Freistellung). Bei Überzeit gilt zwingend der Zuschlag von mindestens 25 %.
- Vertragliche Klauseln: Viele Verträge regeln, dass Überstunden (ganz oder teilweise) mit dem Lohn abgegolten sind. Solche Regelungen sind eng auszulegen und müssen klar formuliert sein.
Für eine revisionssichere Abwicklung empfiehlt sich eine saubere Dokumentation: Übersicht offener Stunden, Zuordnung zu Überstunden/Überzeit, angewendete Regeln, Unterschriften/Bestätigungen beider Seiten.
Besonderheiten bei Selbstkündigung
Kündigt die Mitarbeitende selbst, bleiben die Rechte auf Abgeltung ihrer rechtsgültig geleisteten Überstunden bestehen. Ein Anspruchsverlust tritt nicht allein wegen der Selbstkündigung ein. Realistisch ist oft ein gemischtes Vorgehen: Teilkompensation (sofern planbar) und Auszahlung des Rests. Wichtig ist, dass die Rahmenbedingungen (Restarbeitszeit, Übergabe, Ferien) frühzeitig besprochen werden.
Besonderheiten bei Kündigung durch den Arbeitgeber
Bei einer Arbeitgeberkündigung können Unternehmen anordnen, dass Überstunden – soweit zumutbar – in der Kündigungsfrist abgebaut werden. Grenzen bestehen dort, wo der Abbau betrieblich nicht möglich ist (z. B. hoher Arbeitsanfall) oder wo eine Kompensation die ordnungsgemässe Übergabe gefährden würde. In solchen Fällen sind die Stunden auszuzahlen. Auch hier gilt: Überzeit bleibt zwingend zuschlagspflichtig.
Spezialfall: Freistellung während der Kündigungsfrist
Bei Freistellung entfällt die Arbeitspflicht, der Lohnanspruch bleibt bestehen. Offene Überstunden lassen sich in der Regel nicht mehr durch Freizeit abbauen, weil keine Arbeitspflicht mehr besteht. Üblicherweise werden sie deshalb per Endabrechnung ausbezahlt (Überzeit mit Zuschlag). Empfehlenswert ist eine schriftliche Vereinbarung, welche alle offenen Saldi (Überstunden, Überzeit, Ferien) aufführt.
Schnittstelle: Kündigung & Krankheit
Kündigungen überschneiden sich häufig mit Krankheitsphasen – etwa wegen Sperrfristen oder reduzierter Einsatzfähigkeit. Offene Überstunden dürfen in solchen Situationen nicht „untergehen“. Die korrekte Behandlung erläutert unser Fachbeitrag Kündigung während Krankheit. Für die Endabrechnung bedeutet das: Offene Stunden sind weiterhin korrekt zu bilanzieren und – falls kein Abbau möglich ist – auszuzahlen.
Verjährung & Fristen
Ansprüche auf Überstunden verjähren in der Regel nach fünf Jahren (allgemeine Verjährungsfrist für periodische Leistungen). In der Praxis bewährt sich folgendes Vorgehen:
- Frühzeitige Klärung: Offene Saldi bei Kündigung rasch ermitteln und gemeinsam besprechen.
- Schriftliche Endabrechnung: Alle Positionen transparent aufführen (Überstunden, Überzeit, Ferien, Spesen, Zulagen).
- Bestätigung: Gegenseitige Unterzeichnung oder digitale Freigabe, damit der Sachverhalt eindeutig dokumentiert ist.
Praxisbeispiele aus KMU
Beispiel 1: Bauunternehmen, Saisonspitze
Ein Mitarbeiter kündigt per Ende Juli während der Hochsaison. Der Abbau von 80 Stunden ist in der verbleibenden Frist nicht realistisch. Das Unternehmen rechnet 80 Stunden ab, trennt sauber zwischen Überstunden und Überzeit und zahlt Überzeit mit 25 % Zuschlag aus. Die Überstunden werden ohne Zuschlag ausbezahlt, da dies im Arbeitsvertrag entsprechend vereinbart wurde.
Beispiel 2: IT-Dienstleister, geplante Übergabe
Eine Projektleiterin kündigt per Ende Quartal, es bleiben 22 Überstunden. Da der Übergabeplan steht, vereinbaren die Parteien zwei Kompensationstage sowie 6 Stunden punktuelle Verkürzung einzelner Arbeitstage. Die restlichen Stunden werden ohne Zuschlag ausbezahlt, da dies im GAV so geregelt wurde.
Beispiel 3: Pflegebetrieb, Personalmangel
Ein Pflegemitarbeiter mit 20 Überstunden und 30 h Überzeit kündigt kurzfristig; der Schichtplan ist voll. Ein Abbau ist nicht möglich. Das Haus zahlt alle Stunden aus. die Überstunden und Überzeit werden mit einem Zuschlag von 25% ausbezahlt und im Austrittsdossier dokumentiert.
Checkliste für Unternehmen
- Regelwerk prüfen: Was sagen Vertrag/Personalreglement zu Überstunden und Überzeit?
- Zeiterfassung sicherstellen: Lückenlose Datenbasis (z. B. mit der TimeSafe Zeiterfassung).
- Saldi ermitteln: Offene Überstunden, Überzeit, Ferien zeitnah berechnen; allfällige Zuschläge berücksichtigen.
- Abbau planen: Wenn möglich, Kompensation in der Kündigungsfrist strukturieren (schriftliche Bestätigung).
- Endabrechnung erstellen: Transparente Aufstellung; klare Trennung zwischen Überstunden und Überzeit.
- Dokumentieren & archivieren: Revisionssichere Ablage (Berichte, Bestätigungen, Abrechnungen).
FAQ: Häufige Fragen
Müssen Überstunden bei Kündigung immer ausbezahlt werden?
Wenn ein Abbau in der Kündigungsfrist nicht realistisch ist oder keine Einigung zur Kompensation besteht, sind Überstunden auszuzahlen. Überzeit ist zwingend mit mindestens 25 % Zuschlag zu vergüten.
Können Überstunden während der Kündigungsfrist kompensiert werden?
Ja, sofern beide Parteien einverstanden sind und der Abbau organisatorisch möglich ist. Der Plan sollte schriftlich festgehalten werden.
Gelten die Ansprüche auch bei Selbstkündigung?
Ja. Die Rechte bestehen unabhängig davon, wer gekündigt hat. Entscheidend sind die geleisteten, nachweisbaren Stunden und die gültigen vertraglichen Regelungen.
Was passiert bei Freistellung?
Bei Freistellung ist ein Abbau meist nicht mehr möglich; offene Stunden werden in der Regel ausbezahlt (Überzeit mit Zuschlag).
Verfallen Überstunden bei Kündigung automatisch?
Nein. Es braucht eine saubere vertragliche und gesetzliche Beurteilung. Ohne einvernehmliche Kompensation sind Ansprüche auszuzahlen.
Wie lange können Überstunden nach Austritt eingefordert werden?
Ansprüche verjähren grundsätzlich nach fünf Jahren. Es empfiehlt sich eine klare Endabrechnung zum Austritt.
Wie unterscheiden sich Überstunden und Überzeit in der Abrechnung?
Überstunden können vertraglich differenziert geregelt sein (Kompensation/Abgeltung). Überzeit muss zwingend mit 25 % Zuschlag vergütet werden; die jährlichen Grenzen sind zu beachten.
Welche Rolle spielt die Zeiterfassung?
Sie ist die Grundlage jeder korrekten Abrechnung. Digitale Lösungen liefern revisionssichere Nachweise und reduzieren Streitpotenzial.
Fazit & Handlungsempfehlung
Überstunden bei Kündigung sind kein Randthema, sondern entscheiden oft über eine faire und rechtssichere Endabrechnung. Wer frühzeitig Transparenz schafft, klare Regeln anwendet und sauber dokumentiert, vermeidet Konflikte – gerade bei komplexen Situationen wie Freistellung oder Krankheit. Mit der TimeSafe Zeiterfassung lassen sich Arbeitszeiten, Überstunden und Überzeit nachvollziehbar abbilden, Regeln hinterlegen und revisionsfeste Reports erzeugen. Für weiterführende arbeitsrechtliche Konstellationen rund um Krankheit empfehlen wir den Beitrag Kündigung während Krankheit.
Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar. Stand: 26. September 2025.